Ein Elektroauto ist ja bereits per se eine feine Sache. Es bringt Menschen klimaschonend von A nach B, ist dabei sehr geräuscharm und darf zudem in Bereiche einer Stadt, wo Verbrenner oftmals schon die Zufahrt verwehrt bleibt. Allerdings wird aktuell bei weitem noch nicht das gesamte Potenzial dieser modernen Antriebsform genutzt. Denn das Gefährt steht aktuell den überwiegenden Teil des Tages ungenutzt herum, entweder in der Garage, neben der Straße oder auf dem Parkplatz der Arbeitsstätte.
Genau bei diesem Punkt setzt eine vielversprechende Perspektive an. Warum soll das Elektroauto nur Strom ziehen und verbrauchen? Warum kann es nicht auch diesen bei Bedarf an andere Geräte abgeben und bestimmte, oftmals bereits bestehende Synergien nutzen? Das Zauberwort hierfür heißt bidirektionales Laden und dieses verspricht, der Elektromobilität noch einmal einen weiteren Schub nach vorne, sprich hin zu noch mehr Absatzerfolgen zu bringen.
Im Prinzip sagt die Bezeichnung „bidirektional“ lediglich aus, dass das Fahrzeug nicht nur Strom aufnehmen kann, sondern diesen bei Bedarf auch wieder abgibt, also der Stromfluss in beide Richtungen funktioniert. In der Branche wird aber gerne die Zukunftsperspektive an sich mit diesem Begriff aus dem Fachjargon betitelt. Denn von dieser modernen Form der Batterienutzung versprechen sich viele Menschen einen Weg hin zur vielfach angepriesenen Energiewende.
Der grüne Kreislauf
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind Besitzer eines Elektroautos und verfügen zudem über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach Ihres Eigenheims. Bislang konnte zumeist nur tagsüber von der hauseigenen Stromproduktion
profitiert werden, au er Sie besitzen einen eigenen Stromspeicher, der auch in den Nachtstunden und an Schlechtwettertagen in der Lage ist, Energie abzugeben. Der Rest der produzierten Energie wurde bislang in aller Regel in das öffentliche Stromnetz eingespeist und der Energieversorger, der über den erzeugten Strom verfügen kann, bezahlt einen zuvor vereinbarten Tarif. Besagter Tarif liegt allerdings zumeist deutlich unter dem Preis, den Sie bezahlen müssen, wenn Sie Strom aus dem Netz konsumieren.
Hier kommt fortan das Elektroauto ins Spiel. Ist dieses in der Lage, bidirektional zu laden, kann der verbaute Akkumulator die Rolle des Stromspeichers übernehmen. Wird tagsüber Energie produziert, fließt diese direkt in die Batterie des Wagens, wird abends Strom benötigt, holt sich der Stromkreis im Haus genau diese Energie wieder zurück und verbraucht sie. Auf lange Sicht können Sie so wirtschaftlicher agieren, weil Sie für die gelieferte Kilowattstunde nur etwa ein Drittel des Preises bekommen, als die Kilowattstunde aus den Netz kostet.
Doch nicht nur im Haus selbst kann der Strom abgegeben werden. Denn die grüne Energie lässt sich auch unterwegs bei Bedarf abgeben, etwa wenn ein gestrandetes E-Auto über zu wenig Restreichweite verfügt, um an die nächste Ladesäule zu gelangen.
Und schließlich lässt sich auch die wohl klassischste aller Arten des bidirektionalen Ladens durchführen. Nämlich die allgemeine Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und dem Stromnetz an sich. Damit können etwa
Nutzungsspitzen abgefangen und ein Lastausgleich erzeugt werden. Die produzierte Energie wird dezentral im Akkumulator gespeichert und abgegeben, wenn sie benötigt wird.
Noch viele Steine im Weg
Doch so schön der gewählte Ansatz auch ist, er ist nicht hürdenfrei zu erlangen. Denn gleich mehrere Anforderungen müssen erfüllt sein, damit die Batterie in einem Elektrofahrzeug auch Strom extern abgeben kann. Der wichtigste Punkt ist wohl der Kommunikationsstandard bzw. der Steckertyp des Wagens. Aktuell unterstützt nämlich nur der CHAdeMO-Standard, der hauptsächlich in Fahrzeugen aus Asien zu finden ist, bereits heute in einigen wenigen Autos das bidirektionale Laden. Künftig soll dies auch der CCS-Stecker tun, der als europäisch-amerikanische Antwort auf CHAdeMO gilt.
Eine weitere Hürde ist die Art der Stromspeicherung. Die Batterien in E-Autos werden mittels Gleichstrom betrieben, während im Stromnetz selbst Wechselspannung vorherrscht. Daher braucht es spezielle Ladegeräte,
die je nach Bedarf die richtige Spannung herstellen. Dafür sorgt ein Wechselrichter, welcher entweder im Auto selbst oder aber in der Ladeinfrastruktur verbaut sein kann. Dass es bei der Umwandlung, der Abgabe und der Aufnahme auf natürliche Weise zu einem gewissen Verlust an Spannung kommt, ist der Natur der Sache geschuldet. Aber auch in diesem Bereich muss die Hardware noch ausgereifter und effizienter werden.
Diese Parteien müssen mitspielen
Autobesitzer: Sieht sich der Besitzer von E-Auto und Photovoltaikanlage nicht in der Lage, diesen Kreislauf zu unterstützen, funktioniert das System ohnehin nicht.
Autohersteller: Die E-Autos müssen Standards unterstützen, die bidirektionales Laden ermöglichen. Wie etwa der CHAdeMO-Stecker.
Hersteller der Ladeinfrastruktur: Auch Wallbox oder Ladesäule müssen Strom in beide Richtungen abgeben können. Außerdem müssen sowohl das Ladekabel, als auch der angebrachte Stecker das bidirektionale Laden unterstützen.
Serviceprovider: Der Stromanbieter muss es ermöglichen, dass Strom von externen Quellen ins Netz eingespeist werden kann.
Gesetzgeber:Länder oder Kommunen müssen angesprochenes Vorhaben unterstützen und die rechtlichen Grundlagen schaffen.
Voraussetzungen schaffen
Im Prinzip kann man es so zusammenfassen: Die notwendige Technik, um Photovoltaikanlagen und Elektroautos noch besser miteinander nutzen zu können ist existent, allerdings hapert es noch etwas an der exakten Umsetzbarkeit. Einerseits muss die erwähnte Technik noch ausgereifter werden. Aktuell ist der Großteil der auf dem Markt existenten Wägen lediglich in der Lage, den getankten Strom für die eigenen Zwecke, nämlich der Fortbewegung, zu nutzen. Gerade einmal eine Hand voll Autos kann Energie auch extern zur Verfügung stellen, was für den Erfolg der ganzheitlichen und autarken Energienutzung unabdingbar ist. Und andererseits ist es aber auch zwingend erforderlich, dass auch Politik und Energieversorger in der Gleichung auf denselben Nenner kommen.
Denn was nützt es, wenn die Photovoltaikanlage vorhanden, das E-Auto zur Stromabgabe in der Lage und auch die Wallbox bidirektional ist, es aber am Ende an Vertragsbedingungen oder dem Stromnetz an sich scheitert, dass der ökologische Energiekreislauf nicht in der Form umgesetzt werden kann, wie es der grüne Gedanke erforderlich machen würde?
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